»Der unheimliche Besucher«
Von Jan Hinnerk Feddersen

Jeder im 3.Polizeirevier, der nicht in den letzten drei Monaten längere Zeit im Urlaub, auf Schulung oder dienstunfähig gewesen ist, kennt Gabriele Wilhelmi, Sekretärin des Abteilungsleiters Spedition & Logistik von »Brömme, Canisius & Cie Im- und Export und Schiffsmakler GmbH«, alleinstehend, seit 21 Jahren geschieden, keine Kinder, seit ihrer Scheidung wohnhaft in einer 3-Zimmer-Altbauwohnung in einem Gründerzeitbau in der Scharnhorst-Allee in Lübeck-St.Gertrud - denn sie steht oft genug auf dem Revier.

Unterschiedliche Ansichten gibt es bei den Polizeibeamten, ob die Wilhelmi vollkommen verrückt sei, oder nur ein bißchen, oder ob tatsächlich ein mysteriöser Unbekannter in ihrer Wohnung sein Unwesen treibt. Wogegen zumindest alle überprüfbaren Fakten sprechen.

Edgar Stranitzki, ehemaliger Drogenfahnder und jetzt im Dezernat für Todesermittlungen der Lübecker Kripo, hat gute Laune, weil er endlich zum Kriminalhauptkommissar befördert worden ist, und so will er sich der Sache annehmen, bevor es einen Toten gibt. Eine kleine, praktisch unsichtbare Überwachungskamera sollte jeden »unheimlichen Besucher« aufzeichnen und entlarven - falls es denn einen solchen ungebetenen Besucher überhaupt gibt, und nicht alles nur in der Einbildung der Wilhelmi stattfindet.

Doch es kommt anders als geplant...

Der dritte Band der Krimi-Reihe mit den Lübecker Kommissaren Bernd Kannengießer, Peter Kesten, Edgar Stranitzki und Anja Lüttke.
Erhältlich als Taschenbuch (242 Seiten, 10,99€, ISBN 978-3-752951-00-4), als Ebook (2,99€, ISBN 978-3-739492-27-8)


... Sie rannte wie gehetzt in die Küche. Doch dort schien alles wie immer. Kein Messer lag offen herum, wo es nicht herumzuliegen hatte. Kein Stück der Dekoration hatte sich in Luft aufgelöst oder seinen angestammten Platz gewechselt.

Der Deckel des alten Brotkastens, eines Überbleibsels aus der Wohnung einer verstorbenen Tante, aus weiß lackiertem Blech mit einem Deckel aus braunem Holz, der Deckel des alten Brotkastens stand zwei Finger breit offen.

Hatte sie den Deckel vorhin nach dem Frühstück nicht richtig wieder geschlossen? Und wie konnte er überhaupt so ein kleines Stück offen stehen? Hätte ihn die Schwerkraft nicht nach unten oder höchstens auch in die andere Richtung ziehen müssen?

Sie ging zum Brotkasten und versuchte, den Deckel zu schließen. Er klemmte. Hektisch versuchte sie den Deckel herunterzudrücken, bis sie merkte, daß sich ein Stückchen steinhartes Graubrot in der Führungsschiene des Deckels verklemmt hatte. Sie pulte es mit wilden, ungeschickten Bewegungen heraus. Sie hatte vor mindestens zwei Wochen das letzte Mal Graubrot gekauft.

Sie rannte aus der Küche zur Garderobe, zog sich mit fahrigen Bewegungen ihren Mantel an, band ein Kopftuch um, griff sich den Regenschirm, schnappte sich ihr Schlüsselbund und verließ die Wohnung. ..

Neu! Hugo Bettauer: »Der Frauenmörder«
Neu herausgegeben von Jan Hinnerk Feddersen in der Reihe »Das Kriminalmuseum«

Der Kriminalroman »Der Frauenmörder« führt den Leser zurück in das Berlin der »Weimarer Republik« der 1920er Jahre, zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Untergang des Deutschen Kaiserreichs und der Macht-übernahme durch die Nationalsozialisten 1933.
In Berlin verschwindet eine Reihe von jungen Frauen spurlos. Alle sind gerade erst in der Millionenstadt Berlin (damals nach London die größte Stadt Europas) angekommen, sind sind allein, und in allen Fällen berichten ihre Vermieter von einem geheimnisvollen Mann, der sie angeblich bald zu heiraten beabsichtigte. Aber dann sind diese jungen Frauen plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, ihre spärliche Habe bleibt in ihrem billigen Zimmer zurück. Auch Leichen werden nirgendwo gefunden. Ein erfolgloser Schriftsteller, so macht es bald die Runde, soll ihr Mörder sein. Aber dann deckt der ermittelnde Kommissar Krause nach und nach immer mehr Widersprüche in diesem Fall auf.
Erhältlich als Taschenbuch 124 Seiten, 11,00€, ISBN 978-3-819035-03-6
Hugo Bettauer (eigentlich Maximilian Hugo Bettauer) wurde 1872 in Baden bei Wien als Sohn eines Börsenmaklers geboren. Im Alter von sechzehn Jahren reiste er auf eigene Faust und gegen den Willen seiner Eltern nach Alexandria (Ägypten). Er wurde dort aber bald aufgegriffen und zurück nach Österreich geschickt. 1890 konvertierte er vom Judentum zum protestantischen Glauben. Zusammen mit seiner Mutter siedelte er nach Zürich über und trat im Alter von vierundzwanzig Jahren das wohl sehr beträchtliche väterliche Erbe an. In seiner Züricher Zeit unternahm er auch erste berufliche Versuche als Journalist. Noch in Zürich heiratete er seine Jugendliebe Olga Steiner und wanderte nach dem Tod seiner Mutter mit seiner Frau in die USA aus. Während er noch auf See unterwegs war, verlor er durch Börsenspekulation sein gesamtes Vermögen. Hugo Bettauer lebte bis 1899 in New York. Anschließend ginge bei nach Berlin.
In Berlin arbeitete Bettauer zunächst als Journalist und wurde durch die Aufdeckung einiger Skandale bekannt. Nach einem erneuten Aufenthalt in New York kehrte er 1910 nach Wien zurück und begann bei der Zeitung »Neue Freie Presse« als Journalist zu arbeiten. Von 1924 an gab er in Wien die Zeitschrift »Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik« heraus. Das Journal sorgte regelmäßig für Skandale durch seiner aufklärerischen und teilweise reißerischen Inhalte. Er setzte sich unter anderem für ein modernes Scheidungsrecht, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Straffreiheit für Homosexualität unter Erwachsenen ein.
Bettauers Gegner beschimpften ihn als »Asphaltliteraten«. Nach einer wochen-langen Hetzkampagne in einigen Medien gegen Bettauer schoss der 21-jährige Otto Rothstock, ein früheres Mitglied der NSDAP, am 10.März 1925 Bettauer im Büro seiner Redaktion nieder.