Ein Auszug aus »Neues vom Kommissar, der sich selbst in den Fuß schoss...«:
Upps... Da liegt 'ne Leiche!
Es gibt eine fast unüberschaubare Anzahl von Preisen, die Schauspieler, Drehbuchautoren, Regisseure, Filmmusikkomponisten, TV-Serienproduzenten und andere an der Herstellung von Spielfilmen und TV-Serien beteiligten Menschen erhalten können.
Als Auszeichnung für eine besonders gute Arbeit.
Eine spezielle Art der Auszeichnung fehlt leider, bis heute ist niemand auf die Idee gekommen, sie zu schaffen.
Das ist die Auszeichnung für eine »beste Filmszene«.
Routinierte Krimi-Zuschauer wissen, daß kaum etwas so schwer zu inszenieren und zu spielen ist wie die Szene, wo in einem Krimi ein Mensch oder eine ganze Familie die Nachricht überbracht bekommt, daß ein Liebster tot ist. Opfer eines Gewaltverbrechens.
Zum Glück fehlen den meisten Leuten in der Kino- und TV-Branche reichhaltigere persönliche Erfahrungen damit, insofern stochern sie da etwas im Nebel. Klar ist: eine solche Nachricht ist ein Schock für die »Hinterbliebenen«. Außer in den seltenen Fällen, in denen die sich über dieses Ereignis freuen, aber selbst dann ist es ein emotional äußerst aufwühlender Moment.
Menschen, die tatsächlich Erfahrung mit den Reaktionen von Hinterbliebenen haben, wissen, daß von apathischer Fassungslosigkeit bis zu hysterischen Ausbrüchen alles möglich ist, und alles passiert. Hysterische Ausbrüche nun lassen sich, von einem halbwegs guten Schauspieler jedenfalls, ja durchaus noch ganz gut spielen. Sind anscheinend aber eher unbeliebt bei Drehbuchautoren und Regisseuren, man sieht sie ziemlich selten.
Apathische Fassungslosigkeit ist schwerer darzustellen, und irgendwie noch unbeliebter. Nur sehr selten wird eine Szene gezeigt, in der ein Hinterbliebener einfach gar nichts mehr sagt, für Minuten, oder Stunden. Gut, das ist ja tatsächlich auch dramaturgisch nicht so einfach zu handhaben, und allein die Reaktion der Ehefrau auf die Ermordung des Gatten oder die des Ehemannes auf die Ermordung der Gattin würden völlig ausreichen, um einen Fernsehdreiteiler zu füllen, pro Teil 120 Minuten.
Das führt dazu, daß - und das gilt speziell für die »Fernsehkrimi-Massenware« - die gezeigten Reaktionen der engsten Hinterbliebenen meistens ziemlich... banal, unaufgeregt und unspektakulär sind. »Ihr Mann wurde ermordet!« - »Tja, das kann ja mal passieren.« - »Können wir Ihnen ein paar Fragen stellen?« - »Ja, sicher, warum denn nicht?«
Diese Szenen bleiben meistens irgendwie arg unbefriedigend, und dabei gäbe es durchaus naheliegende Lösungen: man zeigt es einfach so gar nicht. Es wird kurz gesagt, daß die ermittelnden Kommissare nun zur Ehefrau des Mordopfers fahren, um sie zu informieren und eine erste Befragung vorzunehmen. Gar nicht klischeehaft dazu: niemand reißt sich darum. Vielleicht überlegt man, einen Geistlichen hinzuzurufen. Irgendwie so.
Und dann verlassen die Fernseh-Kommissare das Haus der Witwe wieder, und rekapitulieren, was die gerade eben gesagt oder nicht gesagt hat.
Etwas besser klappt es mit jenen Szenen, in denen irgendjemand, der »unbeteiligt« ist, also nicht direkt persönlich involviert, ein Mordopfer auffindet. Denn irgendwie müssen die Ermittlungen ja auch in Gange kommen.
Aber auch hier ist es nicht selten eher unrealistisch. »Upps. Da liegt ein Erschossener neben der Mülltonne. Ja nun. Das kann schon mal vorkommen.« Zumal in dieser Gegend...
Aber es gibt Ausnahmen. Es gibt Szenen, die man nie wieder vergisst. Zum Beispiel, weil sie gleichzeitig so realistisch und so unbeschreiblich komisch sind...
»Prinz und Paparazzi«
»Prinz und Paparazzi« ist ein TV-Kriminalfilm, der auf dem gleichnamigen Krimi-Taschenbuch von Sky du Mont und Jörg Mehrwald beruht. Ja, Sie haben richtig gelesen - der bekannte Schauspieler Sky du Mont hat auch ein paar Bücher geschrieben. Und die sind gar nicht schlecht.
Sky du Mont, eine markante Erscheinung, die im Gedächtnis bleibt, Darsteller in unzähligen TV-Krimis und Spielfilmen, Serien und auch Kinofilmen. Groß, sehr groß, und immer gern engagiert, um Adlige oder andere buchstäblich oder im übertragenen Sinne »herausragende« Figuren zu spielen.
Auch in der Verfilmung spielt Sky du Mont mit, und zwar die Hauptfigur, den adligen Hobbydetektiv Christian Graf von Landsburg. Die Story will ich hier nicht weiter ausbreiten, kaufen Sie sich das Taschenbuch oder schalten Sie, wenn der Film mal wiederholt werden sollte (er ist gut, also ist die Wahrscheinlichkeit dafür eher gering), den Festplattenrekorder ein. Es lohnt sich.
Grundlage der Story ist, daß ein »Paparazzi«, ein auf Stars und Promis spezialisierter schleimiger Fotoreporter, ermordet wird. Wegen Fotos natürlich.
Und der Mörder legt die Leiche nun dem Prinzen Karl Friedrich von Hamm in den nicht abgeschlossenen Kofferraum seiner 12-Zylinder-Jaguar-Limousine. Der fährt damit ahnungslos von dannen, und gerät - die Story spielt im Hamburger Umland - irgendwo bei Ahrensburg (meine ich zu erinnern) auf einer ziemlich einsamen Landstraße in eine Radarkontrolle.
Prinz Karl Friedrich ist natürlich deutlich zu schnell, und wird also angehalten. Hier nun muß man hinzufügen: »Prinz Karl Friedrich von Hamm« wird gespielt von Peter Sattmann. Auch der ist ein sehr bekanntes Gesicht, ein Schauspieler, der schon in vielen TV-Serien und Krimis aufgetreten ist, und auch er kann einige bestimmte »Typen« sehr gut verkörpern.
In diesem Fall den Typus des »schnöseligen Adels-Ottos«. Ich warne Sie daher: wenn Sie jemals diesen Film sehen, dann sehen Sie anschließend immer Peter Sattmann als Prinz Karl Friedrich von Hamm, wenn Sie an den Prinzen Ernst August von Hannover denken. Den von Caroline von Monaco - den »Pinkel-Prinzen«. Ja, genau den.
Man könnte auch mit einiger Berechtigung sagen: Prinz Ernst August von Hannover ist eine schlechte Kopie von Peter Sattmann als Prinz Karl Friedrich von Hamm.
Nun wird also der Prinzen-Jaguar gestoppt. »Führerschein, Fahrzeugpapiere«. Der Prinz schnöselt, er sieht die Polizisten als subalterne Beamte an. Die lassen sich das nicht gefallen. Also: »Aussteigen!«
Und nun fahren die beiden wackeren Polizeiobermeister das Programm, mit dem sie durchaus wirkungsvoll zurückschnöseln können. Und fordern den Prinzen zum Schluss auf, den Kofferraum zu öffnen...
In dem ja die Leiche liegt, was der Prinz aber ja nicht weiß.
Er betätigt die Fernbedienung, der Kofferraumdeckel klappt hoch, während der Prinz sich abwendet und genervt in die südostholsteinische Landschaft glotzt. Was interessiert ihn etwas so profan bürgerliches wie ein Kofferraum? Selbst wenn es der eines 12-Zylinder-Jaguars ist...
Die Polizisten erblicken die Leiche. Springen zurück, ziehen ihre Waffen, und starren den Prinzen an. Der dreht sich nun um, und guckt ebenfalls in den Kofferraum.
Und was nun folgt, sollten Sie sich nur anschauen, lieber Leser, liebe Leserin, wenn Sie vorher alle bruchgefährdeten Teile vom Wohnzimmer-Couchtisch entfernt haben. Denn es besteht die reale Gefahr, daß Sie einige Sekunden später wirklich und tatsächlich vor Lachen von der Couch fallen.
Sattman-Prinz Karl glotzt fassungslos auf die Leiche in seinem Kofferraum. Wendet sich ab. Dreht sich zurück. Wendet sich ab. Dreht sich wieder zurück. Und zeigt dann mit dem Finger auf die Leiche im Kofferraum, und stammelt in schauspielerischer Vollendung: »Das... das... das... das will ich nicht!«
Man muss das gesehen haben, es lässt sich mit Worten nur unzureichend beschreiben. Es ist wohl die schönste, beste, skurrilste und lustigste »Leiche-im-Kofferaum-Auffindungs-Szene«, die je gedreht wurde.
Und der Rest des Films ist auch nicht so durchschnittlich-mäßig, wie einige Kritiker es geschrieben haben. Es ist keine »Kriminalkomödie«, sondern ein gemütlicher Krimi mit ordentlich Adels- und Hamburg/Schleswig-Holstein-Kolorit, der eine ganze Menge wirklich komischer oder sogar urkomischer Szenen enthält.
Es ist absolut sauberes, gutes TV-Krimi-Handwerk.
Aber wie gesagt: es gibt leider keine Preise für einzelne Szenen. Und deshalb wird an dieser Stelle hiermit ganz offiziell dem Schauspieler Peter Sattmann für diese eine, kleine wunderbare Szene der »Goldene Strandkorb mit Schäufelchen und Eimer« verliehen!