Das kriminelle Universum des Jan Hinnerk Feddersen

Vorweg ein Hinweis: Selbstverständlich sind alle Personen, die in den Kriminalromanen der
»Edition Strandkorb-Krimi« vorkommen, frei erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen sind nicht beabsichtigt, wenngleich die eine oder andere Person, die dem Autor in den letzten Jahrzehnten begegnet ist, als Inspiration zur Erfindung eines Protagonisten beigetragen haben könnte.

Oder wie der weltberühmte englische Spionage-Thriller-Autor John le Carré es im Vorwort zu seinem Spionageroman »The Honourable Schoolboy« formulierte: »Some figures elbow their way into a novel and sit there until the writer finds them a place.«


Einige Figuren drängeln sich mit den Ellbogen in einen Roman und sitzen dort so lange herum, bis der Autor einen Platz für sie findet.


Die »Bezirkskriminalinspektion Lübeck« gibt es indessen tatsächlich, sie ist seit der letzten großen Polizeireform in Schleswig-Holstein Teil der Polizeidirektion Lübeck, die eine der zehn Polizeidirektionen in Schleswig-Holstein ist und kriminalpolizeilich zuständig für den Bezirk des Landgerichts Lübeck, bei dem wiederum die Staatsanwaltschaft Lübeck (oder genauer: die »Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck«) angesiedelt ist.. Wer sich für die Organisation der Landespolizei in Schleswig-Holstein interessiert, wird am Ende dieses Artikels fündig.

Anders als in den allermeisten Krimis leitet in der Realität aber nicht die Kriminalpolizei die Ermittlungen bei Straftaten, sondern die zuständige Staatsanwaltschaft. Die ist, wie es Juristen so schön ausdrücken, »die Herrin des Verfahrens«, und die Polizei ermittelt in ihrem Auftrag und nach ihren Weisungen. Staatsanwälte sind auch, gerade bei schwereren Straftaten, nicht nur im Gerichtssaal tätig, sondern vernehmen persönlich Tatverdächtige, Beschuldigte und Zeugen.


Die Ermittler


Bezirkskriminalinspektion Lübeck


Bernd Kannengießer, Erster Kriminalhauptkommissar, Chef der Abteilung 1 im Derzernat für Todesermittlungen der Bezirkskriminalinspektion Lübeck. Geboren 1960, ein erfahrener Ermittler, der mit 21 bei der Kriminalpolizei in den Polizeidienst eintrat.
Kannengießer ist mit der 20 Jahre jüngeren Susanne Kannengießer verheiratet und hat mit ihr eine neunjährige Tochter, Charlotte, die von allen aber nur »Charlie« genannt wird. Kannengießers Frau ist gelernte Reisebürokauffrau und arbeitet in Teilzeit bei der Fährlinie Travemünde-Helsinki.
Kannengießer hat eine tiefsitzende Abneigung gegen »Bauchgefühle« bei Ermittlern, ist aber selbst nicht immer völlig frei von ihnen. Seine Kollegen schätzen ihn als ruhigen und systematisch arbeitenden, sehr erfahrenen Kriminalisten.

Peter Kesten, Kriminalhauptkommissar und Stellvertreter von Bernd Kannengießer. Geboren 1968. Er arbeitet schon lange mit Bernd Kannengießer zusammen und kennt ihn und seine Denkweise sehr gut. Kesten ist geschieden, seine Ehe scheiterte an der zeitlichen und psychischen Belastung durch seinen Beruf bei der Polizei.
Einige Zeit nachdem Anja Lüttke als frischgebackene Kriminalkommissarin zur Abteilung 1 kommt, beginnen die beiden ein Verhältnis, das sie mit viel Aufwand vor ihren Kollegen geheimzuhalten versuchen, die aber sehr schnell merken, daß Kesten und Lüttke ein Paar sind.

Edgar Stranitzki, geboren 1971, zu Beginn noch Kriminaloberkommissar und der dritte Mann in der Abteilung 1. Zu Beginn des Falles »Der unsichtbare Besucher« wird er zum Kriminalhauptkommissar befördert.
Stranitzki hat einen äußerst bunten Lebenslauf. Er stammt ursprünglich aus West-Berlin, was ihm ersparte, Wehr- oder Zivildienst ableisten zu müssen. Nach dem Abitur vertrieb er sich die Zeit in Kreuzberger Szenekneipen und studierte drei Jahre lang ohne besondere Ernsthaftigkeit an der Freien Universität Berlin Soziologie. Die Erfahrungen, die er dabei in der »Szene« sammelte, helfen ihm später bei seiner Tätigkeit als Fahnder im Drogendezernat. 1994 bricht er sein Studium endgültig ab und macht eine lange Reise als »Backpacker« über den Iran, Indien und Nepal bis nach Laos und Thailand.
Stranitzki führt zu jeder Zeit und überall seine Dienstwaffe mit sich, nachdem er Zeuge geworden war, wie ein durchdrehender Drogensüchtiger bei einer Vernehmung plötzlich mit einem Schnappmesser auf eine Kriminalbeamtin losging und sie mit einem Stich in den Bauch so schwer verletzte, daß sie nach einem monatelangen Krankenhausaufenthalt schließlich den Dienst quittieren musste und auch nach Jahren immer noch an den Folgen des Angriffs leidet.
Nach ein paar Jahren als verdeckter Ermittler ist sein Gesicht überall in Schleswig-Holstein in der Drogenszene bekannt und er wechselt zum Dezernat für Todesermittlungen. Seine Kollegen lernen ihn schnell für seine kreativen Ermittlungsansätze schätzen und für sein Einfühlungsvermögen bei »schrägen Typen«. Im Dezernat ist er legendär für seine kleine Marotte, neue Erkenntnisse, die er bei Ermittlungen gewonnen hat, gerne mit kleinen und oft auch äußerst komischen Schauspieleinlagen vorzuführen statt mit einem schlichten Bericht.

Anja Lüttke, Jahrgang 1986, während des Falls des »Kurparkmörders« erst 25, aber trotzdem alles andere als das »Küken« im Dezernat. Die junge Kriminalkommissarin ist hochintelligent und eine Überfliegerin seit Schulzeiten, manchmal aber arrogant und überheblich, was letztlich meist eine Fassade vor ihrer Unsicherheit ist. Sie ist nicht immer besonders geschickt beim Umgang mit Menschen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen, Bernd Kannengießer erkennt aber schnell ihr großes Potential als Ermittlerin und versucht, sie ein bißchen auf den richtigen Weg zu bringen.
Zu Beginn der Ermittlungen im Fall des »Kurparkmörders« hat sie sich gerade von ihrem Freund getrennt, nachdem sie ihn in der gemeinsamen Wohnung im Bett mit ihrer besten Freundin erwischt hatte. Zwischen Lüttke und Kesten funkt es schnell, und die beiden werden ein Paar, wohnen aber in getrennten Wohnungen und versuchen mit aller Mühe, ihre Beziehung vor den Kollegen geheim zu halten, was ihnen aber kläglich mißlingt.
In der gesamten Polizeidirektion Lübeck ist Anja Lüttke bekannt für ihr Faible für extrem hautenge Jeans, von denen manche Kollegen behaupten, es sei technisch unmöglich, daß sie diese Hosen ohne Schuhlöffel oder andere technische Hilfsmittel anziehen könne.

Malte Kesting-Grünwohld
, Kriminalkommissar und als Jahrgang 1984 zwei Jahre älter als Anja Lüttke, bearbeitet in der Fahndungsabteilung der Bezirkskriminalinspektion überwiegend kleine Fälle, bis ihm ganz zufällig eine wichtige Zeugin in die Arme läuft, die gerade von Anja Lüttke unwirsch abgewiesen worden ist. Genau diese Zeugin trägt dank Kesting-Grünwohlds sensibler Art dazu bei, die größte Mordserie seit vielen Jahren in Schleswig-Holstein aufzuklären.
Da die Abteilung 1 personalknapp ist, holt Bernd Kannengießer Kesting-Grünwohld zum Dezernat für Todesermittlungen. Da ihm der Name des jungen Kollegen zu lang ist, tauft Edgar Stranitzki ihn »MKG«, was die anderen Kollegen schnell übernehmen. Dank seines Vornamens Malte ist er überall Ziel von Witzen, die sich auf einen berühmten Sketch des Comedians Rüdiger Hoffman über den Besuch in einem Chinarestaurant beziehen (»Malte, Torben, Sören«).
Malte Kesting-Grünwohld verliebt sich ebenso unsterblich wie unerwidert in Anja Lüttke, und verlässt am Ende des Falles »Der Tote hat ein Alibi« die Lübecker Kriminalpolizei, um beim Bundeskriminalamt eine Weiterbildung in Sachen Internet-Kriminalität zu machen.

Eva Kistorp, geboren 1983, ist Polizeiobermeisterin und Zivilfahnderin in Lübeck. Im November 2011 wird sie vorübergehend zum Dezernat für Todesermittlungen abgestellt, um Malte Kesting-Grünwohld zu ersetzen.

Die (Rechts)-Mediziner

Anders als im Fernsehkrimi sind sie keine »Gerichtsmediziner«, sondern Rechtsmediziner und arbeiten auch nicht im »Gerichtsmedizinischen Institut«, sondern im Rechtsmedizinischen Institut, und zwar genauer gesagt am Standort Lübeck des Rechtsmedizinischen Instituts des UKSH, des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, dessen zweiter Standort sich in Kiel befindet.

Und niemals erscheint einer der Ermittler im Obuktionssaal, während der Rechtsmediziner gerade die Leiche des Mordopfers wieder zugenäht hat und sich seinem zweiten Frühstück widmet. Bei jeder Obduktion eines mutmaßlichen Opfers einer mutmaßlichen Straftat ist von der ersten Sekunde an mindestens ein Kriminalbeamter anwesend und beteiligt sich aktiv an der Untersuchung des Leichnahms - oder auch des noch lebenden mutmaßlichen Opfers, denn die Rechtsmediziner untersuchen durchaus nicht nur Tote, sondern auch Lebende.

Prof. Dr.Dr. Waldemar Bährlapp
, Jahrgang 1956, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin in Lübeck. Weltweit anerkannte Koryphäe auf seinem Gebiet, pflegt liebevoll Zynismus, Sarkasmus und tiefschwarzen Humor. Bährlapp fährt einen top-restaurierten E-Type Jaguar, er zieht es vor, ledig zu sein, ist aber als Frauenheld nicht immer ganz so erfolgreich wie er es gern wäre.
Seine Geringschätzung für die fachliche Kompetenz vieler seiner Kollegen ist durch seine eigene Kompetenz und akribische Genauigkeit zumindest teilweise gerechtfertigt und die unbestreitbare Qualität seiner Arbeit lässt die Polizeibeamten, die mit ihm zusammenarbeiten, zähneknirschend über seine regelmäßigen Anflüge von Hochnäsigkeit hinwegsehen.

Frau Dr.Sonnenschein, angeblich 1979 geboren, Rechtmedizinerin und zunächst persönliche Assistentin von Professor Bährlapp, teilt mit Anja Lüttke die Leidenschaft für enge Jeans, die in ihrem Fall allerdings stets blütenweiß sein müssen. Ihr Chef schätzt sie für ihre gute Arbeit, was bei Bährlapps hohen Ansprüchen ein beachtliches Lob darstellt.

Dr. Matthias Nathusius, geboren 1963, Soziologe und forensischer Psychiater an der Universität Hamburg. Mit Prof. Dr.Dr.Waldemar Bährlapp hat er einen ausgeprägten schwarzen Humor gemeinsam. Nachdem er und Bernd Kannengießer sich vor einigen Jahren auf einem Seminar zum Thema Serienmörder kennengelernt haben, versorgt er den Ermittler immer wieder einmal mit ebenso eigenwilligen wie klugen psychologischen Analysen, und führt erhellende Gespräche mit dem Ermittler bei exzellentem schottischen Whisky, was nicht immer auf Begeisterung bei seiner Lebensgefährtin, der acht Jahre jüngeren Oberärztin Adrienne Dietrich vom Uni-Klinikum Eppendorf, stößt.

Dr. Raimund Wiese
, Jahrgang 1969, Rechtsmediziner am Institut von Prof.Dr.Dr. Bährlapp. Ein typischer »Halbgott in Weiß«, groß, kantig, sonnengebräunt, mit den Hobbies Tennis, Reiten und Segeln. Mit Bährlapp, der ihn nur »Dr.Feld, Wald und Wiese« nennt, in inniger Abneigung verbunden, was aber vor allem auf Bährlapps durchaus berechtigten Zweifeln an Wieses fachlicher Kompetenz beruht.

Die Staatsanwälte

Dr. Gebhard Meyerdinck, Oberstaatsanwalt in der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck, wo er wegen seiner Kompetenz und Erfahrung gern die schweren Fälle und Kapitalverbrechen zugeteilt bekommt. Meyerdinck ist mit einer kunstsinnigen Gattin geschlagen, die ihn ständig in irgendwelche modernen Theateraufführungen mitschleift, die den Juristen fast immer entsetzlich langweilen.

Gesine Oberhoff-Katterbehl, Staatsanwältin in der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck. Eine überhebliche Schmalspurfeministin mit Aufsteigerdünkel, im selben Tennisclub wie Rechtsmediziner Dr. Wiese. Bei denjenigen in der Staatsanwaltschaft und bei der Polizei, die sie nicht mögen - und das sind die meisten - trägt sie den Spitznahmen »die Knatterbeck«.


Die Organisation der Polizei in Schleswig-Holstein

Viele Jahrzehnte war die Organisation der schleswig-holsteinischen Landespolizei ausgesprochen übersichtlich.

Es gab vier Polizeidirektionen, in Kiel, Lübeck, Flensburg und Itzehoe, die die »Schutzpolizei«, also die uniformierte Polizei, führten, und vier Kriminaldirektionen, ebenfalls in Kiel, Lübeck, Flensburg und Itzehoe, was dadurch begründet war, daß es vier Landgerichtsbezirke im nördlichsten Bundesland gibt, nämlich eben Kiel, Lübeck, Flensburg und Itzehoe, und bei jedem Landgericht sitzt eine Staatsanwaltschaft, für die die Kriminalpolizei tätig ist.

An der Organisation der Justiz hat sich bis heute nichts geändert, abgesehen davon, daß ein paar sehr kleine Amtsgerichte inzwischen geschlossen worden sind, aber mit einer großen Polizeireform wurde die Trennung zwischen »Schutzpolizei« und »Kriminalpolizei« abgeschafft. Ob das zur Verringerung der Bürokratie beigetragen hat, ist bei Insidern bis heute umstritten.

Heute ist die Landespolizei in zehn Polizeidirektionen organisiert, Flensburg, Husum, Itzehoe, Neumünster, Segeberg, Kiel, Lübeck und Ratzeburg, und dazu die Wasserschutzpolizeidirektion und die Ausbildungs- und Fortbildungsdirektion in Eutin.

Zwischen der Polizei und dem Innenministerium sitzt das »Landespolizeiamt«, und völlig außerhalb dieser Organisation gibt es noch das »Landeskriminalamt«, das direkt dem Ministerium unterstellt ist, aber keine Weisungsbefugnis gegenüber anderen Polizeidienststellen hat.

Anders als bei den Gerichten und Richtern gibt es zwar keine zwingende, gesetzlich vorgeschriebene Zuständigkeiten für Staatsanwälte und Polizeidienststellen, aber genau wie in der Wirklichkeit ermitteln auch im kriminellen Universum des Jan Hinnerk Feddersen nicht Kieler Kriminalpolizisten mal eben Straftaten, die in Lübeck begangen wurden, und ihre Lübecker Kollegen auch nicht in Norderstedt oder Pinneberg.